Stylist ist doch jeder?
Stylist ist ein angesehener, eigener Berufsstand in USA, Frankreich, England, Italien, überall – bloß nicht in Deutschland. Hier entdecke ich immer öfter bei Friseuren, in Boutiquen, Kosmetik- und Nagelstudios, im Schuh-, Schmuck- und Accessoirehandel Leute, die sich Stylist nennen. Na klar, jeder kann irgendwie stylen! Die Wohnung oder die Haare, den Freund, den Fiffi, die Fußnägel … alles kein Problem. Insbesondere die Generation Zara glaubt, sie kann alles – nicht nur, sich ständig den neuesten Trend holen. Wobei die aktuelle Geek-Mode überhaupt keinen Schwierigkeitsgrad enthält, weil Mögliches und Unmögliches erlaubt sind. So, nun stelle man sich mal ein Fotoshooting vor – man kennt das Szenario ja von GNTM – und der Stylist wäre ein Friseur. Auf den Setcards, die die Agentur zur Vorbereitung geschickt hat, stand bei beiden Male Models Größe 50. Aber kein Anzug, den der Friseur angeschleppt hat, passt. Was hat er bloß übersehen? Tja, und die Crew sitzt in der Wüste, die Zeit läuft … Wenn nichts passt, sind Models noch dazu verunsichert, darunter leiden Ausdruck und Bewegung, das Shooting läuft mies … Oder man stelle sich ein Personal Shopping mit besagtem Friseur vor. Der Kunde probiert sich den Wolf und der Möchte-Gern-Stylist sagt immer:„Toll!“? Au weia. Als Stylist hat man Fachkenntnisse zu Materialien, Schnitten, Farben, ein geschultes Auge für Proportionen und Trends, Erfahrung und ein nicht erlernbares Talent. Leider tragen wir unser „Werkzeug“ in uns und haben keinen sichtbaren Instrumentenkoffer wie Visagisten und Friseure. Des professionellen Rüstzeugs sehr wohl bewusst, würde ein echter Stylist niemals die Mädels am Set schminken oder frisieren. Schuster, bleib bei deinen Leisten! Weshalb diese respektlose Ignoranz anscheinend ein deutsches Phänomen ist, würde ich allerdings gerne mal verstehen können.
„In the future, everyone will be world-famous for 15 minutes.“ Andy Warhol (1968)