C.B.’S PORTRAIT

Claudia Bessler im Gespräch mit Miriam Reith, Creative Director der Agentur VORREITHER

Warum bist Du Stylist?

„Weil ich gerne mit Stoffen, Farben und Materialien umgehe und mir schon immer ein spezielles Stilgefühl attestiert worden ist, ob von unterschiedlichsten Experten oder Laien. Wenn man ein gewisses Händchen für eine Sache hat und sie liebt, dann ist man wohl berufen?! Diese Gabe, diese besondere Wahrnehmung gebe ich gerne weiter an Menschen, ob nun direkt an Styling-Kunden oder indirekt bei Foto-Shootings.“

Personal Styling oder Foto-Shooting – was liegt Dir mehr?

„Das sind grundsätzlich zwei ganz verschiedene Bereiche. Beide sind reizvoll auf ihre Art und in beiden Welten bin ich zuhause. Als Personal Stylist hat man es mit dem echten Leben zu tun. Da muss man wirklich mit Menschen umgehen können; ohne Takt und Feingefühl wäre man verloren. Um so mehr Freude macht es mir, wenn die Beratung von Kunden wirklich angenommen wird. Shootings sind dagegen ein intellektuelles Spiel für Kenner.
Dadurch wird Mode inszeniert. Man hat es mit besonderen Locations zu tun, mit besonderer Mode, mit überirdisch schönen Menschen, mit Sachen am Set, die zur fotografischen Inszenierung dienen, sonst nie zur Verfügung stehen und mit denen man dann unrealistische,
aber wunderschöne oder interessante Szenarien frei gestalten kann.“

Hast Du ein Credo als Personal Stylist?

„Ich achte darauf, dass die Menschen darin leben – das heißt, dass das Styling zum Typ passt und sich der Mensch darin wohlfühlt. Zunächst einmal ist es mein Ziel, für die Person das Bestmögliche herauszuholen, passend zu Typ, Körperbau, Budget, Lebensweise bzw. Beruf. Und wenn diese Person dann erkennt, dass mein fachlicher Rat gut für sie ist, wenn ich das Vertrauen der Menschen gewinnen kann und sie glücklich sind mit meinen Ratschlägen, dann bin ich es auch.“

Es klingt nach Luxus, sich einen Personal Stylist zu gönnen …

„Wie viele Garderobenleichen haben Sie im Schrank? Ein Stylist holt garantiert mehr aus Ihrem Budget heraus. Nicht ohne Grund gehört in USA ein Personal Stylist längst zum selbstverständlichen Lebensstil für Menschen, die auch in Garderobenfragen möglichst effizient, niveauvoll, schnell und sicher auf den Punkt kommen wollen. In Deutschland hält sich noch das Vorurteil, man hätte weniger individuelle Freiheiten, wenn ein Stylist im Spiel ist, und der Rat der Verkäufer oder Freundinnen kostet ja nichts. Irrtum! Verkäufer bekommen Provisionen, Freundinnen haben ihre eigenen Motivationen. Der Stylist eröffnet seinem Kunden aus neutraler fachlicher Sicht von vorne herein die besten Möglichkeiten und lässt in diesem Rahmen natürlich Wahlmöglichkeiten offen. Der Stylist schafft Frust, Ermüdung und schlechte Laune vom Anprobieren ab. Mein Kunde findet jeden Morgen ein höheres Niveau in seinem Kleiderschrank vor und spart Zeit, Nerven und Geld, weil Fehlkäufe vermieden werden. Trotzdem kann er ein wunderbares Shoppingerlebnis haben.“

Bei der Wahl des Styling-Beraters ist die Kompetenz wohl auch nicht immer leicht zu erkennen, zumindest für Laien.

„Zunächst zählt für Interessenten sicher der persönliche Eindruck von Webauftritt und persönlichem Kontakt. Allgemein ist ein Stylist mit Erfahrung sehr wertvoll, sogar insbesondere bei einem begrenzten Budget. Um das zu erklären, muss ich etwas ausholen: Jeder Stylist bringt selbstverständlich ein gewisses Talent mit. Auch ich habe einfach den Blick dafür und besitze Fachkenntnisse, ich erkenne zum Beispiel Materialien sofort. Selbstverständlich kenne ich mich mit den Produkten gut aus, weiß in jeder Preisklasse, wie die Marken ausfallen bzw. wie sie für die verschiedenen Figurentypen geeignet sind. Aber meine Sicherheit und damit meine Qualität als Stylist beruht zum einen auf gewachsenem Wissen – beispielsweise zu Schnitten oder was zum Hauttyp passt – zum anderen auf meiner Erfahrung im Umgang mit Menschen. Ein weniger erfahrener Stylist neigt eher mal zu falschen,aber für ihn bequemen Kompromissen, weil ihn die Situation mit dem Kunden menschlich überfordern kann, statt taktvoll, aber professionell bei der fachlich richtigen Empfehlung zu bleiben, mit der der Kunde objektiv besser beraten ist. Das klingt jetzt streng und spaßfrei, äußert sich aber für den Kunden einfach nur in klar spürbarer Professionalität.“

Frankfurt am Main ist Dein Lebensmittelpunkt – nicht gerade berühmt als Fashion-Metropole …

„Ich liebe Frankfurt, hier bin ich geboren. Und ich wünsche meiner Heimatstadt im Straßenbild einfach mehr stilvoller gekleidete Menschen. Es gibt zwar einige ganz gut ausgestattete Leute in Frankfurt, aber mir fällt auf, daß diese oft ein bißchen steif oder zu überladen wirken. Ein Mix aus Mode und selbstverständlicher, lässiger Leichtigkeit gelingt nicht vielen. Und das ist nicht unbedingt eine Frage des Budgets! Allerdings kann man bei der Generation um die Dreißig doch insgesamt einen Niveau-Anstieg bemerken. Und das freut mich wirklich.“

Die wenigsten Leute haben Modelmaße. Vielleicht traut sich mancher auch deshalb nicht zum Stylisten? Weil Mode-Shootings die Maßstäbe so hoch legen?

„Bei Shootings herrscht immer eine tolle Arbeitsatmosphäre, es hat aber auch etwas von einer unwirklichen Kunstform. Im Zusammenspiel von Hair & Make-up Artist, Model, Fotograf und Stylist trägt jeder seinen Teil zu einem anspruchsvollen Ergebnis bei. Ich liebe diese hochästhetischen Momentaufnahmen und den Prozess ihrer Entstehung. Ich empfinde es auch als Privileg, mit so außerordentlich schönen Menschen arbeiten zu dürfen. Aber auch der Mann oder die Frau von nebenan haben ihre Schönheit, wie jeder Mensch, und dieser Respekt gehört für mich ebenso zur Professionalität eines Stylisten, wie auch Diskretion selbstverständlich ist. Ein schwacher Trost vielleicht für Normalos: Früher haben sich die Supermodels noch extremer vom Rest der Menschheit abgehoben. In den Neunzigern waren Frauen allgemein einfach noch nicht so groß, heute haben Frauen ganz andere Maße.“

Wie bitte, Supermodels? Hast Du nicht doch ein wenig Promi-Talk für uns?

„Die berühmten Top-Models der Neunziger – Linda Evangelista, Naomi Campbell, Helena Christensen, Claudia Schiffer, Christy Turlington, Amber Valetta, Jasmin Le Bon – waren nicht nur unsagbar schön. Das waren auch Persönlichkeiten mit Charisma. Als ‚Gesamtpaket’ wirkten diese Frauen wie vom anderen Stern. Sie sind herausgestochen wie Giraffen, weil sie überragend groß waren, besonders Linda. Kate Moss ist da erst mal gar nicht so aufgefallen, weil sie nicht so groß ist.“

Woher weißt Du das? Bist Du denn einem Supermodel jemals live begegnet?

„Als ich damals bei Chloé in Paris zusammen mit Helena Christensen im Aufzug stand, hat mich diese natürliche Schönheit, authentisch und ungeschminkt, wirklich stark beeindruckt. Ich hätte nie damit gerechnet, dass ich den Supermodels dort allen so nah sein würde. Aber mit einer Selbstverständlichkeit haben sich unsere Wege bei unserer täglichen Arbeit gekreuzt – mir kommt das heute surreal vor. Man stelle sich vor: Am Kopierer stehen und Carolyn Murphy lehnt daneben an der Wand, während Claudia Schiffer vorbeiläuft und Linda Evangelista nach dem Hinterausgang fragt. Also, Carry Bradshaw wäre in Ohnmacht gefallen.“

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_THB6249-1x Chloé Kleid, einst von Claudia Schiffer präsentiert.

Hat Deine Stylisten-Laufbahn bei Chloé in Paris begonnen?

„Ich habe als Praktikantin bei Chloé angefangen, als Karl Lagerfeld dort die kreative Leitung hatte. Wir haben Look-Books mit Stoffmustern und Zeichnungen gebastelt. Wir haben uns um die Organisation der Modenschauen gekümmert,
die Platzierung der Gäste und die Betreuung der Kunden, die bestellen möchten. Auch als Habilleuse habe ich später bei Chloé gearbeitet. Als Habilleuse zieht man die Models an, dazu muss man organisiert und schnell sein.
Als Bonus habe ich damals übrigens das roséfarbene Kleid erhalten, das Claudia Schiffer auf dem Laufsteg präsentiert hatte. Zurück in Deutschland habe ich als Assistentin einer Stylistin in Frankfurt gearbeitet und war dann freie Stylistin mit festen Kunden. Auch in der Zeit, als ich als Mutter gefordert war, hatte ich in meiner Arbeit immer mit Styling zu tun.“

Gretchenfrage zum Abschluss: Was würdest Du unserer Kanzlerin Angela Merkel empfehlen?

„Angela Merkel hat sich schon entwickelt. Ich vermute, sie will ein gewisses Bild von sich erzeugen und tritt daher so zurückhaltend auf. Aber ich würde zum Beispiel ein anderes Material für ihre Blazer empfehlen, so dass sich eine günstigere Silhouette für sie ergäbe, und zurückhaltenden, aber stilvollen Schmuck, damit das Gesamtbild nicht ganz so trist wirkt.
Dass man dennoch seriös, angemessen und dezent als Autoritätsperson in der internationalen Öffentlichkeit stehen kann, beweist die IWF Päsidentin Christine Lagarde meiner Meinung nach sehr gut.“
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